Praxis-Tipps von Dr. Susanna Zentai

Kategorie: Patienten-Infos

KÖLN - Zu Unrecht verweigern oder kürzen private Krankenversicherer neuerdings die Erstat­tung für physiotherapeutische Be­handlungsmaßnahmen und kom­men somit ihrer - soweit vertrag­lich vereinbarten - Pflicht zur vol­len Kostenübernahme nicht nach.

Die tarifgemäße Erstattung einge­reichter Honorarrechnungen von staatlich geprüften Krankengymnasten und Physiotherapeuten wird seitens der Versicherer zumeist mit der Be­gründung abgelehnt, dass der jeweils berechnete Behandlungssatz überhöht und nicht angemessen sei.

Darüber hinaus untermauern eini­ge Versicherer ihre ablehnende Haltung damit, dass sie mangels anderer Maßstäbe die "beihilfefähigen Höchst­beträge" als angemessene und übliche Vergütung für derartige Behandlungsleistungen in Ansatz bringen.

Diese Argumentation der Versiche­rer ist in den meisten Fällen allerdings rechtlich nicht haltbar und vermag nicht zu überzeugen.

Besonders Zahnärzte sind in der Ver­gangenheit oft Opfer dieser Leistungs­verweigerung geworden. Durch die Ar­beit am Behandlungsstuhl kämpfen sie mit Rückenbeschwerden oder ähn­lichen Problemen bei physiologischen Bewegungen, die eine Behandlung beim Physiotherapeuten erfordern.

Im Bereich der privaten Krankheits­kostenvollversicherung ist der Ver­sicherer nach dem so genannten "Kos­tenerstattungsprinzip" dem Versiche­rungsnehmer gegenüber zunächst zum Ersatz derjenigen Aufwendungen ver­pflichtet, die der Versicherungsnehmer dem jeweiligen Heilmittelerbringer auch tatsächlich schuldet.

Durchaus ist diesbezüglich die ta­rifliche oder vertragliche Einschrän­kung auf Erstattung der "üblichen Prei­se" gerechtfertigt.

Allerdings ist die übliche Vergütung im Sinne des §612 Abs. 2 BGB, entgegen der Auffassung der privaten Kranken­versicherer, diejenige, die für gleiche oder ähnliche Dienstleistungen an dem betreffenden Ort, mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse, gewöhnlich zu gewähren ist.

Dabei ist der Maßstab des Üblichen ein rein tatsächlicher Maßstab, zu des­sen Ermittlung auf die tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Marktes ab­zustellen ist.

Welche Vergütung aus Kosten­dämpfungsgesichtspunkten seitens der Versicherer im Gesundheitswesen als wünschenswert erscheint, hat bei der Ermittlung der üblichen Vergütung außen vor zu bleiben.

Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze hat beispielsweise das Amtsgericht Bochum im Rahmen sei­nes Urteils vom 7. November 2008 (Az. 75 C 182/05) auf Grundlage eines ein­geholten Sachverständigengutachtens die für den räumlichen Einzugsbereich des Behandlers ortsübliche Ver­gütung ermitteln lassen.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass diese Ver­gütung den örtlichen Marktgegeben­heiten entsprach und demgemäß als üblich und angemessen im Sinne der entsprechenden Versicherungsbedin­gungen zu werten sei.

Die Kürzungen des Versicherers auf die seinerseits ermittelten "allgemein gültigen Preise", die sich an den beihil­fefähigen Höchstsätzen orientierten, erwiesen sich in diesem Fall als nicht gerechtfertigt.

Fazit: Bei der Ermittlung der "üb­lichen Preise" ist auf die tatsächlichen Verhältnisse des jeweils betroffenen örtlichen Marktes abzustellen und nicht, wie von vielen privaten Kranken­versicherern oftmals praktiziert, auf ei­genständig ermittelte allgemein gültige Preise oder gar beihilfefähige Höchst­sätze.

Weitere Urteile zu dieser Thematik: Arbeitsgericht Frankfurt vom 17. Sep­tember 1999. Az. 301 C 7572/97; Land­gericht München II vom 14. April 1999, Az. II 11 O 7577/96. (Rechtsanwalt Da­niel Odenthal, Kanzlei Heckenbücker, Dr. Zentai, Köln, www.dental-und-medizinrecht.de)

 

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